EIBIA Liebenau erzählt dunkle Geschichte

03/2017 - Die EIBIA GmbH für chemische Produkte hatte ihren Sitz und den ersten Produktionsstandort in Bomlitz und zwei weitere Fabriken in Dörverden und Liebenau. Liebenau hatte dabei mehr als 400 Gebäude, und das Gelände war ca. viermal so groß wie das in Bomlitz. Zusammen war die EIBIA der größte Pulvererzeuger im Dritten Reich. Das FORUM besuchte Liebenau mit einer Gruppe und wurde vom örtlichen Historiker Martin Guse durch das Gelände geführt, der von einer dunklen Geschichte berichtete. Ein Verein unter seiner Leitung arbeitet diese Geschichte auf. 

Je länger der Zweite Weltkrieg dauerte, desto höher war der Bedarf an Arbeitskräften. Dienstverpflichtete und Zwangsarbeiter reichten schließlich nicht mehr aus, so dass bald auch Kriegsgefangene in der Industrie eingesetzt wurden. Auch bei der Beschaffung von Zwangsarbeitern ging man zunehmend auf Menschenjagd über: Orte in den besetzten Gebieten mussten Kontingente von jungen Menschen von allein stellen, oder die deutschen Truppen drohten, die jeweiligen Dörfer und Städte zu zerstören.

Auch in der EIBIA wurden die Deportierten und Kriegsgefangenen ausgebeutet. Martin Guse berichtete von der ungenügenden Versorgung der osteuropäischen Zwangsarbeiter in Liebenau, die in großer Zahl an Tuberkulose und Mangelernährung verstarben. Bis zu 2.000 Menschen wurde auf diese Weise hier das Leben genommen. Guse organisiert Begegnungen mit Zeitzeugen, Schülercamps und Führungen und sorgt dafür, dass die namenlosen Opfer wieder ihre Identität erhalten. Der Verein arbeitet daran, eine Gedenkstätte mit Dokumentationshaus aufzubauen und einzurichten.

Das Gelände der EIBIA ist nicht öffentlich und ging nach dem Krieg in die Verwaltung der IVG über. Und so muss der örtliche Verein sich Führungen genehmigen lassen und hat nur begrenzt Zugang zu Gebäuden. Aber die Besichtigung eines kleinen Ausschnitts reichte für die Besucher bereits aus, um einen umfangreichen Eindruck zu bekommen: Wie durch eine Geisterstadt fährt man mit dem Auto mehrere Kilometer und sieht die ehemaligen Produktionsgebäude, die nach dem Krieg anders als in Bomlitz nicht gesprengt worden sind. So sind die meisten zwar wegen Baufälligkeit für den Besuch gesperrt, aber zwei Gebäude waren an diesem Nachmittag freigegeben zur Besichtigung.

Während man auf dem Bomlitzer EIBIA-Gelände nur wenige Bauten findet, die noch funktional erkennbar sind, sieht man in Liebenau Gebäude, Straßen, Wege und gemauerte Korridore, mit denen ein eventueller Explosionsdruck verteilt werden sollte. Man kann sich die logistischen Abläufe ohne viel Mühe vorstellen. Dazu kommen viele Ausrüstungsgegenstände des betrieblichen Alltags, die in den Benefelder Ruinen sehr selten sind. Die Kombination aus historischen Hintergründen und den erlebbaren Betonriesen macht die EIBIA Liebenau zu einem Erlebnis.

Der Bomlitzer EIBIA-Experte Thorsten Neubert-Preine und sein Kollege aus Liebenau vereinbarten bei der Führung weitere Kooperationen. So wird das FORUM jährlich einen Besuch in Liebenau anbieten und hat Martin Guse für einen Vortrag in der zweiten Jahreshälfte eingeladen. Darüber hinaus wird man Forschungsergebnisse austauschen und auch Angebote für Schüler konzipieren.

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