Gelesene Zeitreise zu Alice und Arno Schmidt

03/2018 - Alice Schmidt schrieb Tagebuch über den Alltag mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Arno Schmidt. Sie begann im Jahr 1948 in der Benefelder Zeit des Ehepaars und mit dem ausdrücklichen Wohlwollen ihres Mannes. Das Zeitdokument ist nicht nur ein literaturhistorischer Schatz, sondern beschreibt auch authentisch und real die Nachkriegszeit aus der Sicht von Flüchtlingen - geprägt von Armut, Hunger und Schwarzmarkt. Susanne Fischer, Geschäftsführerin der Arno-Schmidt-Stiftung in Bargfeld, hat die Tagebücher der Jahre 1948/49 aufgearbeitet und stellte sie in der Buchpremiere in Benefeld beim FORUM vor.

In einer gelesenen Zeitreise versetzte Susanne Fischer die mehr als vierzig Interessierten zurück in eine Zeit, in der Alice und Arno Schmidt mit vielen anderen Flüchtlingen zusammen in Benefeld lebten, oder besser überlebten. Der Wohnraum war beengt, Lebensmittel knapp, und die Aussichten auf Besserung gering. In dieser Zeit mit denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen entschied sich Arno Schmidt, hauptberuflich Schriftsteller zu  sein. Und wäre seine Frau Alice nicht gewesen, hätte er wahrscheinlich schon resigniert aufgegeben, bevor er bekannt geworden wäre. Für seinen Erstling "Leviathan" hatte er gute Kritiken bekommen, das Honorar war aber weniger Lebensunterhalt als vielmehr die Möglichkeit, eine gewisse Zeit zu überbrücken. Alice Schmidt glaubte weiterhin an ihn, motivierte ihn nicht aufzugeben und schränkte sich persönlich so ein, dass sie beide mit sehr geringen Mitteln auskamen.

Mit der Unterstützung ihres Mannes - denn allein das Papier war schon knapp - begann sie 1948, Tagebuch zu schreiben. Die Originaltexte wurden bisher nur von Literaturwissenschaftlern analysiert. Durch die Aufarbeitung von Susanne Fischer und die Herausgabe als Buch bekommt die damalige Lebensphase des Paares eine breitere Öffentlichkeit und sorgt so für ein tieferes Verständnis. Denn Arno Schmidt verarbeitete viele Eindrücke seines Alltags gerade in seinem Frühwerk, sorgte damit für Authentizität und für den besonderen Stil, den Schmidt prägte.

So überlieferte Alice Schmidt in ihren Aufzeichnungen, wie sie sich den Tag aufteilten, um Heizmaterial und Mahlzeiten zu sparen, wie sie von den Care-Paketen von Schmidts Schwester aus den USA abhängig waren, und wie sie trotz der Armut ein Ehepaar waren, das Freude am Leben hatte und das beste aus der Situation machte. Sie nannte ihn treffend ihren "Brumminator", für Arno war seine Frau Alice seine "Apfelmuse". Man spielte Schach, las sich gegenseitig vor, ging viel spazieren, und hatte wie in jedem anderen Haushalt auch seine Auseinandersetzungen über die Hausarbeit.

Nach siebzig Jahren kamen damit die Tagebücher von Alice Schmidt für einen Abend wieder "nach Hause". Nach unterschiedlichen Wohnorten in Süddeutschland zog das Ehepaar schließlich nach Bargfeld bei Celle. Sie hatten in Benefeld die Lüneburger Heide mit vielen Wäldern und freien Landschaften lieben gelernt, auch wenn Benefeld für sie der Rückblick in bittere Armut bedeutete. Das Buch wurde schließlich eine Woche nach der Benefelder Premiere auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und ist im Handel erhältlich.

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